OM-Zukunftsmacherin 2025: Rea Gieske, eine Powerfrau mit Empathie und einer beeindruckenden Geschichte - OM online (2025)

Dies ist die Geschichte einer Frau, die sich ihren Weg aus toxischen Strukturen, Gewalt und vielen Zwängen zu ihrer Unabhängigkeit in Deutschland erstritten hat. Eine Geschichte über eine selbstsichere Kämpferin ohne einen Hauch von übertriebener Selbstdarstellung. Ihr Beispiel zeigt, wie wichtig gegenseitige Unterstützung ist.

Rea Gieske sitzt in einem Vorlesungsraum der Universität Vechta, ihr goldenes Nasenpiercing blitzt dezent. Mit scharfem Blick schaut die Studentin in die Runde der Studienkommission der Fakultät eins. Das regenbogenfarbene Armband ihrer Apple Watch setzt einen lebendigen Akzent zu ihrem ansonsten schlichten Outfit. Es geht um die Beschließung des Protokolls der letzten Sitzung. Ihr rechter Arm geht ruckartig nach oben. ,,Könnten Sie bitte noch die Namen der Studierenden ergänzen?‘‘, sagt die 32-Jährige selbstsicher. ,,Es werden immer nur die Professoren bei Anfragen mit Namen genannt und wir gelten als Studierende. Aber wir sitzen hier auch mit einem Namen und als Person.‘‘ Die versammelten Hochschulmitarbeitenden und Studierenden nicken zustimmend, die Änderung wird prompt übernommen. Rea Gieske genießt großen Respekt im Saal. Doch das war nicht immer so selbstverständlich.

„Was mir besonders am Herzen liegt, sind tatsächlich die Themen Gewalt gegen Frauen, Gleichstellung und Kinderschutz.“

Rea Gieske lässt keine Gelegenheit aus, um sich für Minderheiten einzusetzen und ihnen nicht nur eine Stimme, sondern einen Platz in der Gesellschaft zu geben. Ihr Engagement ist vielfältig: Sie hat die AG Gleichstellung an der Universität mitgegründet, ist in mehreren Gremien der Hochschule aktiv, wirkt als Ansprechperson für das Projekt „Wohnen für Hilfe“, das generationsübergreifendes Wohnen fördert, und arbeitet bei der Lebenshilfe in einer heilpädagogischen Wohngruppe für Kinder und Jugendliche. Eigentlich studiert sie Soziale Arbeit. „Was mir besonders am Herzen liegt, sind tatsächlich die Themen Gewalt gegen Frauen, Gleichstellung und Kinderschutz“, sagt sie. Seit einiger Zeit ist die junge Frau, die ursprünglich aus Ungarn kommt, auch politisch aktiv. Bei „Frauen für Demokratie“ oder parteipolitisch in der kommunalen Politik.

Dass die 32-Jährige heute studiert, politisch aktiv ist und selbstbewusst durchs Leben geht, hätte sie selbst kaum geglaubt – und ist ihr auch gar nicht bewusst. Stolz gehört nämlich nicht zu den Eigenschaften, mit denen Rea sich schmücken würde. Wer sie kennt, der weiß: Sie setzt sich für andere ein, ohne sich in den Vordergrund zu drängen, einfach aus Selbstverständlichkeit.

„Mir macht's Spaß, wenn andre auch entdecken, dass sie was können, obwohl sie davor gedacht haben, sie wären nicht genug ausgebildet. In meinen Augen kann jeder Politik machen.“

Es ist eine milde Frühlingsnacht Mitte Mai 2023 in Joensuu, Finnland. Rea Gieske ist dort im Rahmen eines internationalen Austauschprogramms der Universität Vechta. Nach einem Abend mit finnischen und irischen Studentinnen fährt sie mit einem E-Scooter zurück zu ihrem Airbnb. Während der Fahrt ruft ihre Zimmernachbarin an und fragt, wo sie sei. „Ich bin gerade voll aufs Maul gefallen, vom E-Scooter, und voller Blut. Oh Mann, meine Jacke ist jetzt kaputt. Aber alles gut – Passanten haben mir geholfen. Ich komme gleich“, sagt Rea am Telefon, als wäre nichts gewesen.

Etwa 10 Minuten später betritt sie die Wohnung. Das Gesicht voller Blut, an den Händen offene Wunden. Sie hat Schmerzen, aber beginnt laut zu lachen und die Situation zu schildern: „Total doof, ey. Meine Jacke“, sagt sie lachend. Ihre Freundin fragt: „Hast du nicht mal ein bisschen geweint? Du bist doch bescheuert.“ Reas Antwort ist knapp: „Nein.“ Auf Drängen ihrer Freundin gehen die beiden später ins Krankenhaus, um ihre Platzwunden und die geprellten Finger zu versorgen.

Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie mit wenig Perspektiven

Die Studentin kommt eigentlich aus der ungarischen Hauptstadt Budapest. Sie wuchs in einer Arbeiterfamilie auf, mit wenig Perspektiven, wie sie selbst sagt. Umso mehr schätzt sie es, dass sie ein Gymnasium besuchen konnte und dort Deutsch lernte. Ihre schwäbische Lehrerin wurde für sie zum Vorbild. Dann mit 15 Jahren reiste Rea im Rahmen eines Schüleraustauschs erstmals nach Deutschland, nach Walsrode. „Das war für mich richtig krass, so im Ausland zu sein“, sagt die Wahllohnerin.

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Foto: privat

Direkt wusste sie: Sie kommt zurück. Nach dem Abitur zog sie als Au-pair nach Bremen, arbeitete bei Edeka und lernte ihren Exmann kennen. Die beiden heirateten, wohnten in einem Haus und lebten zusammen. Rea entschied, Soziale Arbeit zu studieren und sich an der Uni zu engagieren. Kommentare wie „Wird es nicht langsam Zeit, Kinder zu kriegen?“, von älteren Mitstudierenden hörte sie viele. Beirren ließ sich die junge Frau nicht.

Ihr Exmann schlug sie, misshandelte sie und Rea kämpfte sich aus der gewaltvollen Ehe. Heute ist sie frei, hat ihre Bachelorarbeit abgeschlossen und nutzt ihre Energie noch stärker für andere. Ohne eine Spur von Selbstmitleid.

„Also ich habe mich früher nie mit Politik beschäftigt, weil das nie Thema in meiner Familie war. Hier im Studium, besonders im Rechtsmodul, habe ich entdeckt, dass ich Spaß an Gesetzen und Politik habe“, erklärt sie. Schritt für Schritt übernahm sie immer mehr Verantwortung, wusste ihr Gerechtigkeitsgefühl zu professionalisieren. In ihrem Leben traf Rea immer wieder auf Menschen, die sie begleiteten. Menschen, die von ihr überzeugt waren und sind. Menschen, die an sie geglaubt haben.

Alle Informationen zur Zukunftsmacherin finden Sie auf unserer Themenseite

Frauen fehle oft das Selbstbewusstsein. „Weil es ihnen eingeredet wird, dass sie keine Politik machen können. Frauen überlegen viel bedachter, was sie sagen“, sagte Rea Gieske. Umso wichtiger sei ihr das Thema Gleichstellung; umso wichtiger sei es ihr, andere Frauen zu motivieren. „Mir macht's Spaß, wenn andere auch entdecken, dass sie was können, obwohl sie davor gedacht haben, sie wären nicht genug ausgebildet. In meinen Augen kann jeder Politik machen.“

Wenn sie Bundeskanzlerin wäre, „dann würde ich mich für den Abbau des Patriachats einsetzen. Das heißt auch mehr Schutz für Frauen ermöglichen. Auch mehr Angebote für Männer, die Gewalt erlebt haben. Nicht nur Opfer beschützen – auch Täterverhalten beseitigen“.

Wer hinter Rea Gieskes Fassade schaut, weg von ihrem Engagement, sieht eine Powerfrau, die sich für alle einsetzt, ohne sich zu profilieren. Mit Empathie und Feingefühl geht sie selbstverständlich auf alle ein. Sie ist für alle da und hat ein offenes Ohr und schließt niemanden aus ihrem Engagement aus – egal, wer sie oder er ist.

Hintergrund:

  • Die OM-Medien zeichnen 2025 zum vierten Mal eine Entscheiderin aus dem Oldenburger Münsterland, die in besonderer Weise die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt, mit dem Award „OM-Zukunftsmacherin“ aus.

  • In der Berichterstattung vorab stellen wir in diesem Jahr vor allem Frauen vor, die sich auch ehrenamtlich engagieren.
  • Unterstützt wird das Projekt OM-Zukunftsmacherin von den Firmen Südbeck, Grimme, Bergmann, Wernsing, Zerhusen und der LzO.
  • Gekürt wird die Preisträgerin von einer Jury. Ihr gehören Silvia Breher (Parlamentarische Staatssekretärin und CDU-Bundestagsabgeordnete, Lindern), Christine Grimme (Grimme Gruppe, Damme), Dr. Jutta Middendorf-Bergmann (Ludwig Bergmann GmbH, Goldenstedt) und Annette Vetter (Leiterin Bereich Personal, Landessparkasse zu Oldenburg) an. Für OM-Medien ist die stellvertretende Chefredakteurin Anke Hibbeler dabei.
  • Die Auszeichnung findet am 19. Juni (Donnerstag) im OM-Medienhaus in Emstek statt. 2022 vergab die Jury den Award an Sarah Dhem aus Lastrup; 2023 an Marion Schouten aus Cloppenburg; 2024 an Stephanie Barlage aus Dinklage.
  • Alles zur Vorgeschichte, zur Jury und zu Vernetzungsmöglichkeiten finden Siehier.
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    Author: Laurine Ryan

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